Glaubenszeugnisse

„Mein Gegenüber als Bruder oder Schwester wahrnehmen – nicht nur als Empfänger von Almosen oder als Klient.“

Gerhard Kilz, Diaconandi in der Ausbildung

Dr. Gerhard Kilz aus Paderborn ist es wichtig, als Diakon die Botschaft Jesu weiterzugeben. Foto: Thomas Throenle / Erzbistum PaderbornMein Name ist Gerhard Kilz. Ich bin 58 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Seit über 20 Jahren arbeite ich als Hochschullehrer an der KatHO NRW in Paderborn am Fachbereich Sozialwesen. Im Rahmen der gegenwärtigen Ausbildung zum Ständigen Diakon engagiere ich mich im sozialcaritativen Bereich und zwar in der Arbeit mit Menschen, die in der Wahrnehmung eher am Rande der Gesellschaft stehen.

Was heißt dies konkret?
Konkret bedeutet dies ein Zugehen auf Menschen, die obwohl es bei uns in Paderborn sehr gute fachlich-professionelle Hilfsangebote gibt, leicht in Vergessenheit geraten können. Dazu zählen arme, ältere oder einsame Menschen, aber auch Personen, die obdachlos geworden sind und auf der Straße leben. Ich halte es für wichtig, ihnen etwas anzubieten, was häufig nicht mehr gegeben ist und was ein Grundbedürfnis ist, nämlich Anteilnahme, Akzeptanz und letztlich eine Gelegenheit zum Reden, also zum Miteinander. Und natürlich auch die Unterstützung bei der Wahrnehmung der bestehenden Hilfsangebote.

Welche Bedeutung spielt Ihr Glaube?
Ich denke, eine große. Für mich heißt Glauben, in dem Anderen tatsächlich auch die Begegnung mit Christus zu erkennen. Und dies bedeutet, mein Gegenüber als Bruder oder Schwester wahrzunehmen. Nicht nur als Empfänger von Almosen oder als Klient. Nicht ihm Hilfe überstülpen, sondern zu fragen: “Was möchtest Du, was ist gut für Dich?“ So komme ich nicht in die Rolle des Überlegenen, sondern baue eine gleichberechtigte Beziehung auf. Ich habe dann gemerkt, wie Menschen sich angenommen fühlen und auch das Bedürfnis haben, sich mit jemandem auszutauschen. Über Fußball, Ärger mit den Behörden, aber auch über Glaubensfragen. Das sind für mich kraftvolle Momente, in denen etwas vom Hl. Geist und damit von Gemeinschaft spürbar wird. Christliche Spiritualität und praktisches soziales Handeln verbinden sich auf diese Weise.

Hatten Sie dies schon immer so vorgehabt?
Nein. Ich war zwar lange Jahre ehrenamtlich in verschiedenen Wohlfahrtsorganisationen tätig, insbesondere in der Vorstandsarbeit bei Caritas. Auch bilde ich angehende Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an der KatHO aus, so dass die Beschäftigung mit sozialen Problemen immer schon ein Thema war. Aber gleichzeitig spürte ich im Laufe der Zeit, dass etwas fehlte. Ich wusste zunächst nicht was. Später merkte ich, dass dies der unmittelbare Kontakt, die Beziehung zu Menschen in Notlagen war. Dazu kam, dass sich in mir nahezu parallel der Berufungswunsch für das Ständige Diakonat abzeichnete. Als dies klar war, hatte ich das Glück, in Paderborn auf Menschen zu treffen, die mich unterstützen und begleiten. So war es gerade unser Gemeindepfarrer, der mich in Richtung der Arbeit mit wohnungs- oder obdachlosen Menschen motivierte und den Kontakt zum SKM herstellte. Dort traf ich wiederum auf positive Resonanz bei der Leitung und den Beschäftigten. Hilfreich war und ist, dass ich auch bei Sr. Elrike, die in Paderborn mit der Seelsorge für Wohnungslose und Obdachlose beauftragt ist, mitmachen durfte.

Wie wird es weitergehen?
In unserem Pastoralverbund sind Menschen am Rande mehr denn je ein wichtiges Thema. Hier werde ich in Zukunft auch gerne weiterarbeiten. Das Zugehen auf Menschen, deren Einsamkeit oder Armut nicht sofort auffällt, ist eine wichtige Aufgabe der Kirche und sollte daher auch in den Pastoralen Räumen weiterhin in den Blick genommen werden. Dies geschieht auch, wie es die vielfältigen Aktivitäten der ehrenamtlich tätigen Christinnen und Christen sowie die professionellen Angebote der Caritas oder des SKM deutlich machen. Hier möchte ich mitarbeiten durch ein aktives Zugehen auf Menschen, um ihnen zu zeigen, dass sie wahrgenommen und auch wertgeschätzt werden. Letztlich geht es aus meiner Sicht darum, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen. Gelingt dies, wäre auch die Grundlage für weitergehende Hilfen geschaffen.

Eine Frage zum Schluss: Wie haben Sie Ihre Berufung wahrgenommen?
Zunächst einmal ziemlich spät mit Mitte 50. Zu Beginn war das unbestimmte Gefühl, dass noch irgendetwas fehlt, dass noch etwas offen in meinem Leben ist. Dies nicht beiseite zu schieben, sondern dem nachzugehen, war dann schließlich der Startpunkt für mich. Dies gilt, so denke ich, unabhängig vom Alter. Wenn man als Christin oder Christ diese Unruhe verspürt, sollte sie nicht verdrängt werden, sondern zum Anlass genommen werden, ohne Hektik oder Leistungsdruck zu fragen, was Gott mit einem selbst vielleicht noch vorhaben könnte, worin ein Ruf besteht. In dieser Lage ist der Austausch mit anderen sehr wichtig. Durch viele Gespräche, Hinweise und Anregungen hat sich dann bei mir mein eigener Berufungsweg langsam abgezeichnet. Im Nachhinein scheint alles klar und deutlich zu sein, aber damals war es eher ein vorsichtiges Herantasten an das Wahrnehmen der eigenen Berufung. Mir hat geholfen, dass mir immer Ansprechpartner zur Verfügung standen, die mir ohne Druck sehr ehrlich und unterstützend geholfen haben. Ich denke, dass jeder von Gott in einzigartiger Weise berufen ist, mit seiner Person in der Kirche und der Welt mitzuwirken. Hierfür sich innerlich zu öffnen, einer verspürten Unruhe nachzugehen, ist aus meiner Erfahrung der erste wichtige Schritt. Wenn dann noch Menschen da sind, die zur Klärung beitragen, die diesen Prozess unterstützen, wird es gelingen, der eigenen Berufung auf die Spur zu kommen. Und zwar unabhängig vom Lebensalter.